Joachim Röhm

Foto Joachim Röhm

 BIOGRAPHISCHES

Ich wurde am 2. Mai 1947 als Sohn eines Hochschullehrers in Stuttgart geboren und legte 1966 das Abitur ab. Danach begann ich in Tübingen Germanistik und Politikwissenschaften zu studieren. Das war genau die Zeit, in der die Studentenbewegung Fahrt aufnahm, an der ich in den folgenden Jahren recht aktiv teilnahm. Als sie dann abflaute, gehörte ich zur Abteilung der Hartnäckigen unter den "68ern", die ihre Hoffnungen nunmehr auf die Arbeiterklasse setzten, und schloss mich einer der neu entstehenden marxistisch-leninistischen Organisationen an. Zugleich begann meinen Lebensunterhalt als Maschinenarbeiter in einem großen Metallbetrieb zu verdienen.

Dem Umstand, dass die K-Gruppe, der ich angehörte, sich das Regime Enver Hoxhas als Vorbild erwählt hatte, während die meisten anderen sich an Maos China orientierten, verdanke ich meine Bekanntschaft mit Albanien. Zusammen mit meiner Frau Doris und den beiden kleinen Söhnen wurde ich nämlich in die albanische Hauptstadt entsandt, um dort Unterstützung für das in über zwanzig Sprachen sendende Radio Tirana und den ebenfalls  in zahlreichen Sprachen publizierenden Verlag für fremdsprachige Literatur „17 Nëntori” zu leisten. Während dieses von 1977 bis 1980 währenden Arbeitsaufenthalts erwarb ich mir nicht nur die albanische Sprache, sondern auch das Handwerkszeug eines Übersetzers.

Bald nach unserer Rückkehr nach Deutschland wandte ich mich vom Kommunismus ab. Ausschlaggebend dafür waren nicht nur, aber auch die während des Lebens im real existierenden Sozialismus gemachten Erfahrungen. Als sich auch in Albanien der Zusammenbruch des totalitären Systems anbahnte, stand ich an der Seite der sich gerade herausbildenden demokratischen Opposition. Ich erlebte aus großer Nähe mit, wie Menschen nach dem Kollaps eines Regimes, das bis dahin sämtliche Bereiche ihres Lebens rücksichtslos beherrscht hatte, in jeder Hinsicht vor dem Nichts standen, und wie schwer und zeitraubend es für sie war, sich davon zu erholen. Was für mich blieb, war außer dieser mich zutiefst beeindruckenden Erfahrung eine innige Verbundenheit mit dem Land und seinen Bewohnern. Die intensive Beschäftigung mit den Albanern, ihrer Geschichte und Kultur, ihren Gebräuchen, ihrer Sprache und vor allem ihrer Literatur hat seit damals den Gang meines Lebens wesentlich bestimmt. Auch hat die familiäre Zuwendung zu Albanien schließlich zu dem glücklichen Umstand geführt, dass unsere Enkel neben deutschen auch albanische Wurzeln besitzen.

Neben dem Engagement auf dem Gebiet der interkulturellen Begegnung widmete ich mich vor allem dem literarischen Übersetzen aus dem Albanischen, zunächst nebenberuflich, neben der Brotarbeit in einem zu einem großen deutschen Konzern gehörenden Metallbetrieb, wo ich auch als gewerkschaftlicher Vertrauensmann und Betriebsrat aktiv war.

Der Massenexodus von Menschen aus dem implodierenden kommunistischen Albanien einerseits  und dem vorwiegend albanisch bevölkerten Kosova im Zuge der Balkankrise andererseits, von denen viele den Weg nach Deutschland fanden, ermöglichte es mir, ab 1990 freiberuflich als Übersetzer und Dolmetscher für die albanische Sprache in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen mit einem Schwerpunkt im Rechtswesen zu arbeiten.

Das literarische Übersetzen ist dabei stets von besonderer Bedeutung für mich geblieben, eine Herzensangelegenheit. Zahlreiche Werke albanischer Schriftsteller aus allen von Albanern bewohnten Gebieten sind durch meine Übersetzung deutschsprachigen Lesern zugänglich gemacht worden. Meinen ausgezeichneten Ruf als Übersetzer albanischer Literatur verdanke ich aber nicht zuletzt dem vielfältigen und -bändigen Werk des bedeutendsten, weltweit berühmten und oft als Anwärter auf den Nobelpreis genannten albanischen Autors Ismail Kadare, das ich erst für den Residenz Verlag, dann für den (legendären) Ammann Verlag und heute für den S. Fischer Verlag übersetzen durfte und darf.

Darüber hinaus  war ich im Verlauf der Jahre über Landesgrenzen hinweg an zahlreichen literarischen Aktivitäten beteiligt, Schriftstellerpräsentationen, Lesungen, Seminaren, Workshops und internationalen Konferenzen, und habe Beiträge zur Entwicklung der zeitgenössischen albanischen Literatur verfasst.

Meine Arbeit als Literaturübersetzer wurde durch Stipendien des Deutschen Literaturfonds, des Deutschen Übersetzerfonds und des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen ausgezeichnet. Ich bin Träger des Jane-Scatcherd-Preises der Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Stiftung und des Jusuf-Vrioni-Preises der Republik Albanien für die Übersetzung albanischer Literatur in Fremdsprachen.

Ich bin seit vielen Jahren Mitglied im Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ) - Bundessparte Übersetzer/innen im VS · Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (ver.di).

Einen Großteil meines Lebens habe ich in Stuttgart verbracht. Inzwischen lebe ich seit Jahren mit meiner Frau und ganzen Familie in München, bei früher häufigen, inzwischen eher gelegentlichen Aufenthalten in Albaniens Hauptstadt Tirana und in Lalëz bei Durrës an der albanischen Adriaküste.

 

Gelegentlich verwendetes Pseudonym: Jakob Rath.

 

BIBLIOGRAFIE

Bücher:

Ismail Kadare: Chronik in Stein (Roman)
Residenz Verlag Salzburg 1988

Ismail Kadare: Der zerrissene April (Roman)
Residenz Verlag Salzburg 1989
Ammann Verlag Zürich 2001

Migjeni: Der Selbstmord des Sperlings (Prosaskizzen)
Info Verlag Karlsruhe1989

Ismail Kadare: Der Schandkasten (Roman)
Residenz Verlag Salzburg 1990

Ismail Kadare: Konzert am Ende des Winters (Roman)
Residenz Verlag Salzburg 1991

Ismail Kadare: Doruntinas Heimkehr (Roman)
Residenz Verlag Salzburg 1992

Rexhep Qosja: In solchen Augen liegt der Tod (Roman)
Haymon Verlag Innsbruck 1995

Besnik Mustafaj: Kleine Saga aus dem Kerker (Roman)
Frankfurter Verlagsanstalt 1997

Besnik Mustafaj: Albanien zwischen Verbrechen und Schein (Essays)
Frankfurter Verlagsanstalt 1997

Fatos Kongoli: Die albanische Braut (Roman)
Ammann Verlag Zürich 1999

Beqë Cufaj: Kosova - Rückkehr in ein verwüstetes Land (Essays)
Paul Zsolnay Verlag Wien 2000

Kim Mehmeti: Das Dorf der verfluchten Kinder (Roman)
Drava Verlag Klagenfurt 2002

Ismail Kadare: Die Brücke mit den drei Bögen (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2002

Ismail Kadare: Der Palast der Träume (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2003

Ismail Kadare: Der General der toten Armee (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2004

Beqë Cufaj: Der Glanz der Fremde (Roman)
Paul Zsolnay Verlag Wien 2005

Ismail Kadare: Das verflixte Jahr (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2005

Fatos Kongoli: Hundehaut (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2006

Ismail Kadare: Der Nachfolger (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2006

Ismail Kadare: Spiritus (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2007

Ismail Kadare: Der Raub des königlichen Schlafs.
Kurze Romane und Erzählungen
Ammann Verlag Zürich 2008

Ismail Kadare:  Ein folgenschwerer Abend (Roman)
Ammann Verlag Zürich 2010

Lindita Arapi:  Schlüsselmädchen (Roman)
Dittrich Berlin 2012

Beqë Cufaj: projekt@party (Roman)
Secession Verlag für Literatur 2012

Ismail Kadare:  Die Pyramide (Roman)
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 2014

Ismail Kadare:  Die Schleierkarawane (3 Erzählungen)
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 2015

Ismail Kadare:  Die Dämmerung der Steppengötter (Roman)
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main 2016

Ismail Kadare:  Die Verbannte (Roman)
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main (2017)

Ismail Kadare:  Geboren aus Stein. Ein Roman und autobiografische Prosa
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main (2019)

Ismail Kadare:  Der Anruf (Essayroman)
S. Fischer Verlag Frankfurt am Main (Herbst 2024)

Beiträge in Sammelwerken und Zeitschriften:

Bashkim Shehu: Die Akten, die Leichen und das Feuer (Erzählung),
in: Neue Literatur Nr. 4/93

Elvira Dones: Frank (Erzählung)
in: metaphorá 6, März 2000

Beqë Cufaj: Gedichte
in: Akzente. Zeitschrift für Literatur. Heft 2/April 2001

Fatos Kongoli: Traum zwischen Al Pacino und Kawabata
Bashkim Shehu: Der Zug, der Traum und das Gefängnis
Besnik Mustafaj: Stunde des Fiebers
in: Thomas Wohlfart/Christiane Lange (Hrsg.): Europaexpress. Ein literarisches Reisebuch.
Eichborn Verlag Berlin 2001

Kim Mehmeti: Vier Erzählungen des albanischen Autors
in: Das Haus am Ende des Dorfes. Erzählungen aus Mazedonien.
Drava Verlag Klagenfurt 2001

Lyrik und Prosa von Mimoza Ahmeti, Eqrem Basha, Ledia Dushi, Mirko Gashi,
Ardian Kyçyku, Fatos Lubonja, Halil Matoshi, Mira Meksi, Migjeni
und Anton Pashku
in: LICHTUNGEN – Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik. Herausgegeben von Markus Jaroschka. Nr. 86, XXII. Jahrgang, Graz 2001.

Eqrem Basha: Bericht über meinen Vater, den Grenzathleten
in: Dževad Karahasan/Markus Jaroschka (Hrsg.): Poetik der Grenzen
Steirische Verlagsgesellschaft Graz 2003

Fatos Lubonja: Zwischen Lokalem und Universalem
in: Ursula Keller/Ilma Rakusa (Hrsg.): Europa schreibt.
Was ist das Europäische an den Literaturen Europas?
edition Körber-Stiftung Hamburg 2003

Ismail Kadare: Europas Himmel
in: Gerhard Melzer (Hrsg.):
Es liegt etwas in der Luft. Die Himmel Europas.
Literaturverlag Droschl Graz 2003

Ismail Kadare: Sieben Gedichte
in: Weltklang. Edition diá 2003

Ismail Kadare: Wie mir Hamlet half, die Gespenster zu vertreiben (Erzählung)
in: du 752. Zeitschrift für Kultur. Nr. 12 Dezember 2004/Januar 2005

Beqë Cufaj: Im Penny Markt
in: du 753. Zeitschrift für Kultur. Nr. 1, Februar 2005.

Lyrik und Prosa von Lindita Ahmeti, Virion Graçi, Ervin Hatibi, Gentian Çoçoli,
Ilir Belliu, Ledia Dushi, Romeo Çollaku, Agron Tufa
und Arian Leka.
in: LICHTUNGEN – Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik.
Herausgegeben von Markus Jaroschka. Nr. 103, XXVI. Jahrgang.Graz 2005.

Ismail Kadare: Don Quijote auf dem Balkan
in: Sinn und Form 6/2005. Aufbau Verlag Berlin

Fatos Lubonja: Das zweite Erwachen des Enver Hoxha
in: Katharina Raabe/Monika Sznajderman (Hrsg.):
Last & Lost. Ein Atlas des verschwundenen Europa.
Suhrkamp Frankfurt/Main 2006

Raplyrik aus Kosova sowie Beiträge von Migjen Kelmendi und Enver Hasani in:
Sprung in die Stadt Chişinâu, Pristina, Sarajewo,Warschau, Zagreb, Ljubljana.
Ein Band von relations, einem Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes.
Du Mont Literatur und Kunst Verlag 2006

Texte von Ismail Kadare, Fatos Kongoli, Luan Starova
und Beqë Cufaj in:
Richard Swartz (Hrsg.): Der andere nebenan.
Eine Anthologie aus dem Südosten Europas.
S. Fischer Verlag Frankfurt/ Main 2007

Ismail Kadare: Das Urbuch (Erzählung)
in: LICHTUNGEN – Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik.
Herausgegeben von Markus Jaroschka. 110, XXVIII. Jahrgang Graz 2007

Visar Zhiti: Das Land, in dem Metaphern bestraft wurden (Essay). In: Kosmos – Zeitschrift des österreichischen Kulturforums Berlin.
Nr. 21/2007

HOTEL PRISHTINA (2009)
Briefwechsel zwischen Kathrin Röggla und Jeton Neziraj

Jeton Neziraj: Krieg in Zeiten der Liebe (Schauspiel)
in: Theater Theater 21. S. Fischer Verlag  Frankfurt am Main 2010

Virion Graçi: Drei Erzählungen,
in: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur 75, September 2010

Agron Tufa: Die Musealität des Städtischen (Essay)
in: Grenzverkehr II. Drava Verlag Klagenfurt 2010

Interview mit Ismail Kadare u.a. (Mitschrift Simultandolmetschen)
in: Literator 2010: Daniel Kehlmann
Morphomata Lectures

Wilhelm Fink Verlag Paderborn 2012

Stefan Çapaliku: Der Faust aus Tirana (Monodrama)
aufgeführt am 1. März 2014 im Rahmen von
Die Besten aus dem Osten! Folge 12: Albanien
am Volkstheater Wien

Ismail Kadare: Lasgush Poradeci. Ein Porträt (Essay), in:
Gemeinsames Neuentdecken. Ein Kaleidoskop zur Geschichte und Gegenwart der österreichisch-albanischen Beziehungen, veröffentlicht zum Kulturjahr Österreich-Albanien 2018

 
 

 

 

Bio-Bibliographie

(PDF)

Stuttgarter Zeitung
Botschaften aus dem Land der Skipetaren

(PDF)

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Paradies mit Schandflecken

(PDF)

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Interview

(PDF)

 

TEXTE

Die albanische Literatur des Nachkommunismus (Vorwort)

(PDF)

Der lange Weg des Übergangs
(Vortrag)

(PDF)

Vortrag über das Übersetzen

(PDF)

Fragen an den Übersetzer
(Interview)

(PDF)

Referat për artin e përkthimit
(shqip)

(PDF)

Jane Scatcherd-Preis
Danksagung

(PDF)

Jusuf Vrioni-Preis
Falënderim (shqip)

(PDF)

 

 
 
 
www.joachim-roehm.info · Albanische Literatur in  deutscher Übersetzung